Es ist fast Mitternacht.

Das Feuer prasselt. Sandro hält es lebendig. Ein paar Zweige, ein alter Stuhl, eine Palette… Ich verliere mich in den Tiefen der tanzenden Flammen. Meine Gedanken kreisen. Ich lasse die Bilder, die in meinem Geist auftauchen, gemächlich vorüberziehen und beobachte Flo über das Knacken des Holzes hinweg. Seine Augen sind geschlossen. Er lächelt. Ein perfekter Moment der Glückseligkeit.

Wir sind in Umag – einem kleinen Städtchen an der istrischen Küste, kurz nach der slowenischen Grenze. Aber Umag ist viel mehr als der erste Ort, den wir in Kroatien besuchen. Umag ist der erste Ort auf dieser Reise, der es schafft, uns ein wenig aus der Bahn zu werfen. Denn hier haben wir uns auf eine Weise wohl gefühlt, die uns auf unseren Reisen nicht allzu oft begegnet.

Doch warum sind wir eigentlich nach Umag gekommen?

Warum sitzen wir jetzt hier am Lagerfeuer, ein Glas Wein in der Hand und Milliarden von Sternen über unseren Köpfen? Die Antwort führt uns ein paar Tage und einige Kilometer in die Vergangenheit, nach Maribor in Slowenien.

Wir stehen an der Straße und versuchen unser Glück Richtung Ljubljana – schon seit 1,5 Stunden. Es ist ein etwas zäher Tramptag. Doch aus Erfahrung wissen wir: irgendwann wird das richtige Auto halten. Und tatsächlich: wenige Minuten später hält ein Kleinbus.

Am Steuer sitzt Marko – und wir starten eine Fahrt, die unsere Reise verändern wird.

Marko lädt uns ein, ihn in seiner Heimatstadt Umag zu besuchen. Und so führt uns unser Weg von Ljubljana nach Bled, vom Triglav Nationalpark nach Nova Gorica und über Piran vor Markos Haustür in Umag.

Die nächsten Tage sind wundervoll: Wir erkunden Istrien mit Marko und seiner Freundin Ana, verbringen Zeit mit ihren Freunden, spielen Dungeons and Dragons, sammeln Pilze, trinken viel Kaffee und genießen den selbst gemachten istrischen Wein. Wir lachen viel und teilen viele Gedanken. Unbekannte Straßen werden zu vertrauten Wegen. Und bald fühlen wir uns mitten in einer Runde, in der nur Kroatisch gesprochen wird, nicht mehr fremd, sondern irgendwie glücklich und behütet.

Ein Gefühl von Heimat kommt auf.

Wir lernen viel in diesen Tagen. Vor allem aber wird uns vor Augen geführt, was wir eigentlich schon immer wussten: Dass das wichtigste und das schönste an einem Ort, den wir uns in Zukunft als Zuhause für uns wählen werden, die Menschen sind, mit denen wir unseren Alltag teilen können. Menschen, denen es egal ist, wenn man unangemeldet vorbei schneit. Mit denen man zusammen lachen und weinen kann. Auf die man sich verlassen kann.

Wir haben viele solche Menschen in Deutschland zurück gelassen. Und wir spüren: Auch hier werden wir nicht nur von einem Ort Abschied nehmen. Auch hier lassen wir Freunde zurück.

Und plötzlich ist schon eine Woche um.

Es ist Zeit für uns zu gehen. Die Euphorie, die uns sonst erfasst, wenn wir einen Ort verlassen, um einen neuen zu besuchen, ist der Melancholie gewichen. Zum ersten Mal auf dieser Reise haben wir das Gefühl, einen Teil von uns hier zu lassen. Und so stehen wir am Hafen, genießen dieselbe Aussicht wie bei unserer Ankunft, es ist das gleiche Wetter, das gleiche geschäftige Treiben, dasselbe Gepäck auf unseren Schultern. Und doch ist alles anders.

Umag ist Schuld. Umag hat uns verändert.