Endlich wieder wandern! Über Stock und Stein und mit all unserem Hab und Gut auf dem Rücken besuchen wir den Norden Montenegros. Hier merken wir wieder, was uns in den letzten Monaten, seit wir die Schweiz verlassen haben, so manches Mal gefehlt hat: die körperliche Anstrengung, die Geräusche der Natur, die klare Luft und die Nächte ohne unmittelbare Straßennähe.
Nationalpark Durmitor
Früh klingelt der Wecker an diesem Morgen und unser Daunenbett ist eigentlich viel zu behaglich, um es jetzt schon verlassen zu wollen. Doch wir haben heute viel vor. Also: Raus aus den Federn!
Spätestens die kalte und klare Novemberluft treibt uns auch die letzte Müdigkeit aus den Gliedern.
Wir sind im kleinen Dorf Zabljak, dem Tor zum Durmitorgebirge.
Normalerweise sollte auf den Gipfeln schon längst der erste Schnee gefallen sein.
Doch wir haben wohl Glück mit diesem milden November.
Seit 1980 gehört der Nationalpark zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Eigentlich soll es hier von Besuchern nur so wimmeln. Das ganze Jahr über. Nur im November anscheinend nicht.
Nicht, dass es uns groß stören würde.
Adler, Wildkatzen, Wölfe, Wildschweine und Braunbären sind in den ursprünglichen Wäldern und auf den Plateaus Zuhause.
Und über allem erhebt sich der Bobotov Kuk. Mit seinen 2.522 m ist er der höchste Gipfel des Landes.
Doch ganz so hoch hinaus geht es für uns heute nicht.
Denn seit unserer Wanderung am Pizol sind wir ein wenig eingerostet. Wir versuchen das mit Frühsport und ganz viel guter Laune wieder wett zu machen!
Also dann: Jacke aus, Rucksack auf, Hosenbeine hoch. Und schon kann’s los gehen!
Doch nicht bevor die neuen Trekkingstöcke auf einen eventuellen Angriff der Klonenkrieger eingehend geprüft wurden:
Und dann tauchen wir ab in die Stille.
Schweigend nehmen wir unsere Umgebung in all ihren Einzelheiten war.
Begleitet nur durch das Knacken der Zweige unter unseren Füßen und das leise Flüstern des Windes.
Oft fragen wir uns, welche Dinge uns wirklich glücklich machen.
Manchmal ist schon eine Aussicht genug.
Gerade diese Einfachheit, bringt uns innerhalb weniger Stunden voll und ganz zu uns selbst zurück.
Bis die Sonne langsam von uns Abschied nimmt und es Zeit wird, unser Lager für die Nacht aufzuschlagen.
Tara Schlucht
Am nächsten Morgen trampen wir zur tiefsten und längsten Schlucht Europas. Von der Tara Brücke aus kann man allen möglichen spektakulären Adrenalinkram machen. Aber heute nicht.
Heute ist hier tote Hose und die Souvenirverkäufer sitzen alle gelangweilt mit Kaffee und Zigarette in der Hand vor ihren Ständen.
Die Tara schlängelt sich 140km durch Montenegro und hat im Laufe der Jahrtausende eine tiefe Schneise in den Fels gegraben. Das entstandene Flusstal ist in einigen Teilen völlig unzugänglich und so das ursprünglichste Flusstal Europas.
78km lang und über 1.300m tief ist sie, die Tara Schlucht. Doch von oben sieht das alles längst nicht so beeindruckend aus wie von unten.
Zum Glück gibt es eine schmale Straße, die durch den Canyon führt und tatsächlich nimmt uns eines der wenigen Autos an diesem Tag mit hinunter.
Unser Fahrer, ein eigenbrötlerischer Bergsteiger, ist begeistert, dass wir uns so viel von der Natur seines Landes ansehen wollen. Denn auch in seinem Auto sind wir auf dem Weg zur nächsten Wanderung.
Und so endet die bisher schönste Autofahrt dieser Reise im kleinsten Nationalpark Montenegros, dem Biogradska Gora.
Nationalpark Biogradska Gora
Wir finden den Biogradska Gora noch ruhiger vor als den Nationalpark Durmitor. Als wir nach einer kleinen Stärkung aufbrechen, entstehen schon die ersten Nebelschwaden des nahenden Abends und alle Besucher haben den Park längst verlassen.
Der Park ist vor allem für seinen unberührten und uralten Wald bekannt.
16 km² groß ist dieser Urwald um den Biogradsko Jezero mit über 500 Jahre alten Bäumen.
Die größten Bäume ragen bis zu 43 Meter über uns hinweg.
Mit jedem Schritt fühlen wir uns ein bisschen kleiner und unbedeutender.
Mit seinen Rotbuchen, Bergahorn und Eschen rund um den See gilt der Wald des Biogradska Gora als einer der ganz wenigen urzeitlichen Wälder Europas.
Doch leider können wir den Lauf der Sonne nicht stoppen. Und so müssen wir unsere Wanderung beenden.
Ein wenig traurig, dass wir unser Zelt jetzt schon aufschlagen müssen.
Doch wir nehmen uns für die kommenden Monate vor, von nun an viel öfter in die Berge, Wälder und Wiesen dieser Erde zu verschwinden.
Das Wandern in Montenegro war einfach viel zu schön.