Nach vielen Wochen des Reisens ist das Trampen mittlerweile zu unserem Alltag geworden.

Ein glücklicher Alltag, denn wir genießen es sehr, die kleinen und großen Wunder dieser Welt per Anhalter zu entdecken. Doch es gibt Tage, an denen diese Euphorie eine schwere Schlacht zu schlagen hat.

Tage an denen es sich weder sonderlich aufregend noch wahnsinnig abenteuerlich anfühlt, mit ausgestrecktem Daumen am Straßenrand zu stehen und auf eine Mitfahrgelegenheit zu warten. Schuld daran, ist vor allem schlechtes Wetter: starker Regen, Wind oder eisige Temperaturen stellen unsere gute Laune auf eine harte Probe.

Aber gerade wenn sich das Wetter gegen uns stellt und es hoffnungslos erscheint, jemals mitgenommen zu werden, schlummern wir, allen Widrigkeiten zum Trotz, am Abend mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen ein. Und wir wissen wieder ohne jeden Zweifel, warum wir das Trampen so lieben.

Aber zurück zu den tückischen Launen der Natur.

Die Liste der fiesen Wettererscheinungen ist vor allem im Spätherbst und Winter recht lang: zermürbender Dauerregen, unbarmherzige Böen, tückische Pfützen, matschige Wege… Besonders zu schaffen machen uns allerdings die Kälte und die Nässe, die an solchen Tagen langsam aber unerbittlich unsere Beine empor kriechen.

Auch hilft es wenig, dass die Tage immer kürzer werden, denn leider verringern sich mit dem schwindenden Tageslicht auch unsere Chancen, dass ein Autofahrer sich entschließt, uns mitzunehmen. Egal ob Wind, Kälte, Nässe oder alles auf einmal: die Wartezeit scheint zum Stillstand zu kommen und ein bohrender Gedanke schließt sich um unsere Herzen:

Warum geben wir nicht einfach auf?

Doch meist kommt es zum Glück gar nicht so weit. Über die Jahre haben wir unsere ganz eigene Tramproutine entwickelt: Im 15-Minutentakt wechseln wir uns ab mit Schild halten, bizarren Sprungbewegungen gegen die Kälte, freundlichem Winken, Vorlesen, Michael-Jackson-Beatbox-Medley oder einem kleinen Abstecher zum nächsten Tankstellenshop gegen den kleinen Hunger zwischendurch.

Bin ich mal geknickt, weil es nur langsam voran geht, kann Flo mich oftmals innerhalb weniger Minuten wieder zum Lachen bringen. Auch umgedreht klappt das meist sehr gut. Manchmal hilft da schon eine lange Umarmung. Gerade in solchen Momenten merken wir beide wie gut es uns tut, diesen Weg gemeinsam zu gehen.

Normalerweise können wir so das schlechte Wetter recht schnell aus unseren Gedanken vertreiben und die gefühlte Wartezeit verkürzen.

Normalerweise – aber nicht an jedem Tag.

Heute ist genau so ein Tag. Wir stehen an der Straße Richtung Süden, mitten in Kroatien – irgendwo zwischen dem Plitvice Nationalpark und Split. Der Wegesrand ist mit gefrorenem Reif überzogen und der Wind bläst uns langsam aber sicher das letzte bisschen Wärme, das wir noch spüren können, aus den Jacken.

Während unser Lächeln einzufrieren droht, folgen unsere Augen den vorbeifahrenden Autos. Die meisten Fahrer schütteln ihren Kopf, andere senken ihre Blicke, sobald sie uns sehen. Langsam wird nun auch die letzte unserer Zehen taub. Schon seit fast zwei Stunden stehen wir uns die kalten Beine in den Bauch. Und ganz ehrlich: Es reicht!

Wer hatte eigentlich die wahnwitzige Idee durch die Welt zu trampen?!

Frustriert schultern wir unsere Rucksäcke und kehren der Straße den Rücken zu. Da ruft plötzlich jemand hinter uns: „Können wir euch vielleicht ein Stück mitnehmen?“ Ein junges Paar grinst uns aus ihrem Auto entgegen. Verblüfft schauen wir uns an und fangen an zu lachen.

Als wir nach 50 km die Wolkendecke durchbrechen, schenkt uns die lang vermisste Sonne ihre wärmenden Strahlen. Auch unsere Zehen geben zufrieden kribbelnd ihr Wohlwollen kund. Den Rest der Fahrt können wir unser Grinsen nur schwer verbergen. Jegliche negative Gedanken des Vormittags sind wie weggewischt. Innerhalb weniger Sekunden hat sich der Tag in unser kleines persönliches Wunder verwandelt – und das nicht zum ersten Mal.

Bis jetzt haben wir dreimal auf dieser Reise aufgegeben. Immer war es das Wetter, das uns in die Knie zwang. Und jedes Mal ist uns das Gleiche passiert. In letzter Sekunde rettet uns eine freundliche Stimme aus unserer Misere. Und mit jedem Mal aufs Neue, sind wir verblüfft über diese wunderbare Zufälligkeit. Auch wenn wir uns manchmal fragen, ob das wirklich noch Zufall sein kann. Doch macht das am Ende einen Unterschied? Was es auch sein mag, wir sind dankbar. Und eines ist nun wirklich sicher: Warten lohnt sich immer. Egal bei welchem Wetter.

Das richtige Auto ist mitunter nur eine Kurve entfernt.