Irgendwie tue ich mich schwer mit diesem neuen Blogeintrag. So richtig will mir seit Tagen kein Einstieg einfallen. Je länger ich auf diese leere Seite starre, desto mehr scheinen sich die Worte in meinem Kopf zu verknoten. Und Gedanken werden zu bloßen Sprachhülsen. Wahrscheinlich quäle ich mich so, weil dies ein ganz besonderer Artikel werden sollte. Eine Geschichte über Liebe und Leid. Über Überfluss und Verzicht. Für ein ganz besonderes Land, voller Gegensätze, das uns beide verzaubert hat. Doch verzaubert ist eigentlich nicht das richtige Wort. Eher gepackt.
Ja, Bosnien und Herzegowina hat uns vom ersten Moment an gepackt.
Fast schon hatten wir uns gegen Bosnien und Herzegowina entschieden – viel hatten wir über die schlechten Straßen und den geringen Verkehr im Winter gelesen und gehört. Doch was hätten wir verpasst!
Das nächtliche Mostar, in dessen leeren Altstadtgassen wir uns fühlen, als wäre Tolkiens Bree plötzlich zum Leben erweckt. Der bosnische Kaffee, dem einfach kaum ein anderer gleich kommt. Oder ein Hostel, in dem wir uns so wohl fühlen, dass es schwer fällt zu gehen. Aber vor allem sind es die Berichte und Erlebnisse der Einheimischen, die uns bewegen. Besonders Nino und Peja lassen uns an ihrer Vergangenheit teilhaben. Beide begleiten wir auf eine Tour durch ihr Land und seine Geschichte.
Peje bereist mit uns Herzegowina, den Süden des Landes.
Wir sehen Moscheen, ein altes Derwisch Haus, mittelalterliche Städte und Wasserfälle. Peje erzählt uns viel über die bosnische Kultur. Hektik und Stress sind hier verpönt. Immerhin hat man ja nur das eine Leben. Wir schwärmen ihm von dem hier so fantastischen Angebot an erntefrischem Obst und Gemüse an jeder Straßenecke vor. Er phantasiert über das üppige Fleischangebot auf deutschen Märkten.
Doch wir reden auch über den Krieg, den er als Kind miterlebte und der seine Heimatstadt Mostar von 1992-1995 entzwei riss. Die Frontlinie zog sich damals mitten durch die Stadt. Kroatische Truppen auf der einen, bosnische auf der anderen Seite.
Im Laufe der Kriegsjahre, wurde die historische Altstadt mitsamt seiner berühmten Brücke zerstört. Seit ihre Restaurierungen 2005 abgeschlossen wurden, gehören sie beide zum UNESCO-Weltkulturerbe. In anderen Stadtteilen sind die Narben der Kämpfe jedoch noch überall zu sehen: Zerbombte Gebäude, Einschusslöcher in den Fassaden oder die immer noch aktiven Minen im Umland. Manche dieser Kriegsruinen werden irgendwann restauriert – andere werden als Mahnmale des Krieges in das Stadtbild eingefügt.
Auch Nino war noch Schulkind, als der Krieg über Sarajevo kam.
1425 Tage war die Stadt völlig von der Außenwelt abgeschottet und wurde von der jugoslawischen Volksarmee bombardiert. Jeden einzelnen Tag. Es war die längste Belagerung im 20. Jahrhundert. Nino erzählt beeindruckend offen über die Ängste, die ihn, seine Familie und seine Freunde in diesen Jahren prägen. Wir hören zu und versuchen zu verstehen. Die Worte fehlen auch hier.
Und diese Sprachlosigkeit begegnet uns immer wieder. Wenn wir durch die Stadt streifen, vorbei am Ewigen Feuer, entlang der Sniper Alley (Scharfschützen-Allee) und jedes Mal wenn wir eine Rose von Sarajevo sehen.
Doch trotz dieser Gegenwart eines Krieges, der gerade mal 20 Jahre her ist, sind Mostar und Sarajevo Städte voller Lebendigkeit und Herzlichkeit. Ein architektonisch bunter Mix, der Mal von der osmanischen Herrschaft und mal von der österreichischen Besetzung erzählt.
Die Straßen voller Cafés und Straßenhändler, die alle mit den verlockendsten Düften um unsere Aufmerksamkeit buhlen.
Und ganz ausnahmsweise macht uns das auch überhaupt nichts aus. Denn in Bosnien und Herzegowina verlassen wir den üblichen Pfad unserer bisherigen Reise: Für sechs Tage schauen wir mal nicht so genau auf unser Budget. Statt Wildzelten leisten wir uns Hostels und Airbnb und statt Campingkocher im Wald gönnen wir uns Restaurantbesuche. Warum das alles?
Wir haben etwas zu feiern. Einen Jahrestag.
Wir feiern gemeinsame Jahre und Momente. Dass wir zusammen diesen Weg gehen und doch jeder den seinen gehen kann. Dass wir uns gegenseitig den Rücken freihalten, wenn einer von uns eigene Ideen und Projekte vorantreiben will. Dass wir den anderen bestärken, in sich hinein zu hören, sich auszuprobieren und Fehler zu machen. Oder daran erinnern, dass alles immer gut wird und das Leben voller Möglichkeiten ist. Dass wir zusammen lachen und zusammen schweigen können. Einfach, dass wir füreinander da sind.
Doch leider geht diese schöne Zeit in Bosnien und Herzegowina viel zu schnell vorüber. Und schon ist der letzte Kaffee getrunken und das letzte Baklava verspeist und wir kehren Sarajevo den Rücken zu.
Erst kürzlich wurden wir gefragt, welches bis jetzt das schönste Land auf dieser Reise war. Wir haben uns beide mit der Antwort Zeit gelassen, obwohl uns klar war wie sie lautet. Wir hoffen, dass uns unser Weg irgendwann noch einmal nach Bosnien und Herzegowina führt.
Und dann füllen wir unsere Rucksäcke mit bosnischem Kaffee und ganz ganz vielen Granatäpfeln.
Dany, du übertriffst dich selbst beim Schreiben. Ein kleines Meisterwerk hast du da geschaffen. You made it; you created a very special story, my dear! Danke dass du mich für ein paar Minuten auf Reisen geschickt hast, von meinem Computer in der Unibibliothek 🙂 Küsse und Umarmungen an dich und Flo, Franzi
Vielen lieben Dank für deinen lieben Worte Franzi. So ein Kommentar erhellt mir selbst die dunkelste Schreibblockade 😉